Die Beschlussfassung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes wurde schon mehrfach verschoben. Die massive Kritik an der Schaffung eines neuen Inlandsgeheimdienstes wurde von der Bundesregierung offenbar gehört, hat aber nicht zu einem Umdenken geführt. Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich (AKVorrat), der Österreichische Rechtsanwaltstag (ÖRAK) und der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) fordern daher eine umfassende Evaluierung der Gesamtsituation, bevor neue Überwachungsgesetze eingeführt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass erweiterte Befugnisse von Behörden mit Grund- und Menschenrechten vereinbar sind. Solange die Wirksamkeit von Antiterrormaßnahmen nicht nachgewiesen ist, dienen sich nicht dem Schutz der Demokratie. Im Gegenteil: Sie untergraben sie.
„Uns ist nach wie vor nicht klar, warum die Österreichische Bundesregierung rationale Argumente ignoriert und stattdessen den Beschluss eines Gesetzes durchsetzen will, das viel mehr Probleme bringt, als es zu lösen im Stande ist“, so Christof Tschohl, Obmann des AKVorrat.
Die Bürgerrechtsinstitution hat den ursprüglichen Gesetzesvorschlag, die vor der Sommerpause vorgestellte Ministerratsversion sowie die Abänderungsanträge aus dem Dezember des Vorjahres analysiert und umfassende Stellungnahmen dazu veröffentlicht. Die Adaptionen, die bislang gemacht wurden, sind marginal. Die Hauptkritikpunkte des AKVorrat sind nach wie vor gültig und auch die fünf Forderungen der Petition auf https://www.staatsschutz.at, die mittlerweile von mehr 25.000 Menschen unterzeichnet wurde, sind seit Juni des Vorjahres unverändert aufrecht.
Der AKVorrat wird in Kürze HEAT vorstellen. Dieser Handlungskatalog zur Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze ist die Grundlage für die Bewertung bestehender und zukünftiger Regelungen. „Das Polizeiliche Staatsschutzgesetz fällt da ganz klar durch“, so Tschohl.
Verhältnismäßigkeit nicht gegeben
Mangelhafter Rechtsschutz, ein weitreichender Deliktekatalog, eine unzureichende Definition von „Gruppierungen“, die überwacht werden können, sowie eine Gefährderdatenbank mit extrem langen Speicherfristen für erfasste persönliche Informationen sind nur einige der Kritikpunkte.
„Das Gesetz an sich ist grundsätzlich zu hinterfragen, denn ich orte einen Abbau von Grund- und Freiheitsrechten sowie eine Überwachungssehnsucht der Bundesregierung. Im speziellen braucht es echte richterliche Kontrolle für jede Überwachungsmaßnahme. Die Genehmigung lediglich durch einen Rechtsschutzbeauftragten und seine zwei Stellvertreter ist nicht ausreichend und rechtsstaatlich bedenklich. Wir wollen einen Rechtsstaat und keinen Spitzelstaat, der der Bevölkerung eine bloße Scheinsicherheit vorgaukelt“, so der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags Rupert Wolff.
„Der vorliegende Entwurf ist daher ein massiver Angriff au die Grundrechte. Der ÖJC verurteilt die Schaffung eines Inlandsgeheimdienstes ohne Kontrolle durch unabhängige Richter, dies ist eines demokratischen Staates unwürdig.“, so der Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs Fred Turnheim.
Lichtermeer gegen Überwachung am 23. Jänner 2016
Für den 23. Jänner 2016 ruft der AKVorrat zu einer Kundgebung auf. Das Lichtermeer gegen Überwachung wird vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung stattfinden.