Generaldirektor Konrad Kogler beantwortete in der „ORF-Pressestunde“ am 7. Februar 2016 Fragen zum Sicherheitsgefühl der Menschen in Österreich, zum Grenzmanagement und zur Terrorgefahr.
„Wir haben nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris die Gefährdungsstufe erhöht und polizeiliche Maßnahmen eingeleitet“, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, MMag. Konrad Kogler bei der „ORF-Pressestunde“ am 7. Februar 2016 auf die Frage, wie hoch er die Terrorgefahr in Österreich einschätze. Kogler wurde von Mag. Brigitte Handlos vom ORF interviewt sowie von Dr. Andreas Koller, dem stellvertretenden Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“. „Niemand kann grundsätzlich die Gefahr eines Anschlags ausschließen. Aber wir haben beispielsweise 260 Personen angezeigt, weil sie entweder versucht haben, Menschen hier in Österreich zu radikalisieren oder weil sie in den Dschihad gezogen sind.“ Einige dieser Personen seien tatsächlich nach Syrien oder in den Irak gezogen, um dort für den Islamischen Staat zu kämpfen; einige seien dabei ums Leben gekommen; einige seien nach Österreich zurückgekehrt. Diese seien vernommen worden und weiter im Blick der Polizei.
„Wir haben auch reagiert, indem wir das Staatsschutzgesetz verhandelt haben“, sagte Kogler. Dabei sei es nicht darum gegangen, der Polizei rasch „irgendwelche Rechte“ zu geben, sondern „es war ein Prozess, der sich über zwei Jahre gezogen hat, bei dem wir uns angesehen haben, wie ausländische Dienste arbeiten, bei dem wir gewisse Dinge wissenschaftlich untersuchen haben lassen, und bei dem wir mit den Sicherheitssprechern aller Parlamentsparteien gesprochen haben“, betonte der Generaldirektor.
Andreas Koller sprach ihn darauf an, dass nach dem Staatsschutzgesetz „nur“ ein Rechtsschutzbeauftragter Staatsschutz-Maßnahmen kontrolliere. Kogler betonte, dass auch der Rechtsschutzbeauftragte unabhängig und weisungsfrei sei. „Er wird außerdem nicht von Beamten des Innenministeriums bestellt, sondern hinter seiner Ernennung liegt ein langer Prozess“, sagte Kogler. Der Rechtsschutzbeauftragte werde auf Vorschlag der Bundesregierung bestellt, die drei Nationalratspräsidenten müssten angehört werden und auch die Meinungen der Präsidenten des Verfassungs- sowie des Verwaltungsgerichtshofs würden eingeholt werden und am Ende des Prozesses werde der Rechtschutzbeauftragte vom Bundespräsidenten ernannt.
Mit dem Staatsschutzgesetz gingen spezielle Rechte auf spezielle Polizisten über. Derzeit lägen die Rechte bei allen Polizisten. Zudem seien verschiedene andere Kontrollmaßnahmen vorgesehen, etwa durch den Innenausschuss des Parlaments und einen seiner Unterausschüsse, den sogenannten Stapo-Ausschuss.
Kooperation mit der Zivilgesellschaft
Kogler wurde auch auf Radikalisierungstendenzen angesprochen, die offenbar in der Gesellschaft drohen würden. Er sagte, die Polizei würde darauf durch erhöhte Kooperation mit gesellschaftlichen Kräften reagieren. „Wenn wir bestimmte Phänomene feststellen, müssen wir uns darum kümmern und dagegen halten“, sagte Kogler. Er verwies auf das Beispiel „Gewalt bei Fußballspielen“. „Wir haben hier mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert, wobei wir eigene Beamte zum Einsatz gebracht haben und vor allem mit den Vereinen zusammengearbeitet haben“, sagte Kogler. Damit sei es gelungen, die Gewalt im Umfeld von Fußballspielen auf „ein gutes Maß zurückzuführen“.
Auch beim Wiener Akademikerball und den Gegendemonstrationen im Jänner 2016 sei es gelungen, das Gewaltausmaß zurückzudrängen, und zwar ebenfalls durch die Zusammenarbeit mit den Organisatoren, durch Polizeipräsenz und durch den Einsatz von Dokumentationsteams.
Auf besorgte Bürger zugehen
Österreich sei ein vergleichsweise sicheres Land. Wichtig sei, dass sich das auch im Sicherheitsgefühl der Menschen widerspiegle. Kogler legte dar, dass die Kriminalität in Österreich von 650.000 Straftaten im Jahr 2004 auf 530.000 im Jahr 2014 gesunken sei. Bei der Zahl an Einbrüchen habe es 2014 nach fünf Jahren des Rückgangs zwar wieder eine Steigerung gegeben, „die wir aber durch gezielte Maßnahmen im Vorjahr wieder zurückgedrängt haben, soweit wir aus den Rohdaten der Kriminalstatistik 2015 wissen“, berichtete Kogler.
Bei allen Maßnahmen baut der Generaldirektor auf die Kooperation mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. „Wir haben früher eine Polizei gehabt, die darauf beschränkt war, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, wir haben dann die Repression um die Prävention erweitert und stehen heute auf dem Standpunkt, dass es besser ist, wenn wir alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen zu einer aktiven Beteiligung ins Boot holen.“ Bürgerwehren seien nicht grundsätzlich zu verteufeln. „Ich würde sie auch nicht als solche bezeichnen, sondern wir wollen auf besorgte Bürger zugehen und mit ihnen vereinbaren, dass sie mit uns in Kontakt treten und die Polizei rufen, wenn sie etwas Verdächtiges wahrnehmen“, sagte Kogler. Sie sollten jedoch keine „Hilfssheriffs“ sein, die selber eingriffen. „Das Gewaltmonopol muss ganz klar bei der Polizei bleiben – wir sind binnen kürzester Zeit bei den Menschen, wenn sie uns um Hilfe rufen“, sagte Kogler. In Wien beispielsweise sei die Polizei innerhalb von zweieinhalb bis drei Minuten am Einsatzort.
Vor einer Selbstverteidigung mit Schusswaffen warnte Kogler eindringlich. „Jeder, der eine Schusswaffe auf ein Gegenüber richtet, muss wissen, dass damit das Eskalationsniveau beim Gegenüber angehoben wird“, sagte Kogler. Zudem zeigten internationale Erfahrungen, dass es dort, wo Waffenbesitzraten hoch seien, oft zu Unfällen mit Schusswaffen komme.
Grenzmanagement
Angesprochen auf das Grenzmanagement im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, betonte Kogler, die Polizistinnen und Polizisten leisteten an den Grenzen „tolle Arbeit, die teilweise als sehr fordernd und körperlich und psychisch hochanstrengend erlebt wird“. Wie es hier weitergehe, wenn die Flüchtlingsströme über längere Zeit anhielten, werde derzeit geprüft. „Wir haben nach dem Asylgipfel den Auftrag dazu erhalten“, sagte Kogler.
2016 würden 750 Polizistinnen und Polizisten für den Grenzdienst ausgebildet; weitere 750 würden die Pensionsabgänge ersetzen. „Wir werden somit heuer 1.500 Bewerber in die Polizei aufnehmen.“ Darüber hinaus sei das Grenzmanagement der richtige Weg, mit dem ein geordneter Übertritt ermöglicht werde und mit Hilfe von Seitenabsicherungen ein Ausweichen über die grüne Grenze verhindert werde.
Wichtig sei, dass an der Grenze Dokumente der Einreisenden überprüft würden, sie nach Ziel und Zweck der Reise gefragt würden und ihre Identität festgestellt werde, sowie ihre Daten in nationalen und internationalen Datenbanken abgeglichen würden. Für die Frage der Speicherung von Fingerprints von Menschen ohne Reisedokumente gebe es nach Ansicht der Generaldirektion derzeit keine rechtliche Grundlage. Die Politik habe signalisiert, eine solche zu schaffen.
Die Frage der Obergrenze von 37.500 sei politisch zu lösen. Angesprochen auf einen „Schießbefehl“, sagte Kogler, das sei „nicht Ziel und ist auch nicht, wie die österreichische Polizei agiert“.
Kogler ist auch immer wieder mit den Generaldirektoren der Polizeien entlang der Balkanroute im Gespräch. Angesprochen auf einen Fall, bei dem die österreichischen Polizei drei Busse, besetzt mit Marokkanern, zurück nach Slowenien geschickt habe, woraufhin die slowenische Polizei die Marokkaner mit Papieren ausgestattet und zurück nach Österreich geschickt habe, sagte Kogler, auch das habe er mit seinem Amtskollegen in Slowenien geklärt.
Was Rückführungsübereinkommen betrifft, sieht Konrad Kogler die Verhandlungen bei der EU an der richtigen Stelle. „Würde Österreich beispielsweise losgelöst mit Marokko Verhandlungen führen, wäre es in einer vergleichsweise schwächeren Position, als wenn das die EU tut – mit entsprechenden wirtschaftlichen Verflechtungen im Hintergrund“, sagte Kogler.
Transparente Information
Brigitte Handlos stellte die Frage, ob es nicht kontraproduktiv sei, die Öffentlichkeit über bestimmte Straftaten nicht zu informieren. Sie sprach damit den Fall einer Vergewaltigung an, die ein Iraker an einem Zehnjährigen in einem Wiener Hallenbad verübt haben soll. Konrad Kogler entgegnete, immer dann, wenn die Polizei eine Straftat nicht veröffentliche, habe das gute Gründe. „Wir informieren nicht, wenn es aus Opferschutzgründen oder ermittlungstaktisch geboten ist, eine Straftat nicht zu kommunizieren“, sagte Kogler. In allen anderen Fällen sei die Polizei offen und transparent, damit die Bevölkerung darüber informiert sei, wie es um die Sicherheitslage in Österreich stehe.
Keine Toleranz – aber hinter rechtskonformen Polizisten stehen
Im Hinblick auf Fälle, in denen Polizisten Misshandlungen vorgeworfen werden, sagte Kogler, ja, es gebe einige wenige Polizisten, „die nicht das richtige Maß an den Tag legen“. Für sie gebe es keine Toleranz. Sie würden den Gerichten angezeigt und es würden disziplinäre Schritte eingeleitet.
„Was ich aber bitten würde zu berücksichtigen ist: Es gibt ein Gewaltmonopol und es gibt Täter, die ganz massiv Polizisten angreifen. Wenn hier Polizisten verhältnismäßig einschreiten, um sich oder die Bevölkerung zu schützen, dann stehen wir ganz klar hinter diesen Polizisten.