• Nur etwa ein Drittel der Fachkräfte und Manager in Europa sind weiblich
  • Mit den bislang etablierten Maßnahmen sind in den nächsten zehn Jahren keine Verbesserungen zu erwarten
  • Lösungen, die sich nur auf die Ebene des Top-Managements beschränken, sind nicht nachhaltig

Frauen sind in den Unternehmen weltweit unterrepräsentiert. In Europa werden bis 2025 voraussichtlich nur 37 Prozent der Fach- und Managementpositionen von Frauen besetzt; dies entspricht dem Stand 2015. Im selben Zeitraum steigt der Anteil weltweit um nur 5 Prozent auf 40 Prozent. Dies sind Ergebnisse der neuen Mercer-Studie „When Women Thrive“, für die fast 600 Unternehmen und Organisationen befragt wurden, davon 21 Prozent in Europa. In Lateinamerika wird sich der Frauenanteil voraussichtlich von 36 auf 49 Prozent erhöhen, in Australien und Neuseeland von 35 auf 40 Prozent, in Kanada und den USA um nur einen Prozentpunkt auf ebenfalls 40 Prozent und in Asien von 25 auf 28 Prozent.

„Bei diesen Zuwachsraten sind wir in zehn Jahren in den meisten Regionen der Welt noch weit entfernt von echter Gleichberechtigung. Die bislang verfolgten Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Unternehmen reichen offensichtlich nicht aus. Aus ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten ist das unverantwortlich“, so Achim Lüder, Geschäftsführer von Mercer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die größten Fortschritte wurden bis dato in den oberen Führungsebenen erzielt, vor allem dank verschiedener politischer Initiativen und Diskussionen in den Medien. Doch auf Ebene der Fachkräfte und Spezialisten passiert in den Unternehmen kaum etwas -gerade diese sind aber entscheidend für eine langfristige und nachhaltige Verbesserung der Situation. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und bevorstehenden Fachkräftemangels in vielen Branchen müssen wir alle qualifizierten Arbeitskräfte zur Sicherung unseres wirtschaftlichen Erfolges nutzen, sonst stehen wir schon sehr bald vor massiven Problemen.“

Laut Studie sind durchschnittlich 40 Prozent der Gesamtbelegschaft eines Unternehmens weiblich. Schaut man jedoch in der Hierarchie nach oben, nimmt der Frauenanteil mit jeder Stufe ab. Im Management liegt er bei 33 Prozent, im Senior-Management bei 26 Prozent und auf Ebene der Executives bei 20 Prozent. Und obwohl 50 Prozent mehr Frauen als Männer auf Vorstandsposten berufen werden, verlassen sie diese Positionen zu 30 Prozent häufiger wieder. „Unternehmen müssen die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um Frauen zu halten. Es ist nicht damit getan, politisch oder unternehmensintern getriebene Quoten zu erfüllen und dann abzuwarten, was passiert. Frauen und Männer haben verschiedene Stärken und Bedürfnisse, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Wenn CEOs in Zukunft Diversity als Wachstumstreiber nutzen wollen, müssen sie dafür heute schon wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen und sich auch selbst aktiv einbringen. Es reicht nicht aus, nur an Symptomen herumzudoktern“, so Lüder.

Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen:

– Ein engagiertes Top-Management, das mit gutem Beispiel vorangeht und Veränderungen durch geeignete Kommunikation vorantreibt.

– Die verstärkte Einbeziehung männlicher Mitarbeiter in geplante Initiativen, um ein Bewusstsein für die Vorteile zu schaffen, die Diversity Männern und Frauen bietet (z. B. flexiblere Arbeitsmodelle für alle Mitarbeiter, finanzielle Verbesserungen für Familien).

– Die Ausweitung von Diversity-Maßnahmen auf alle Mitarbeiterebenen, um talentierte und qualifizierte Frauen auch unterhalb des Vorstandes zu gewinnen, zu entwickeln und zu halten.

– Die Analyse der Vergütungsstrukturen hinsichtlich Lohngerechtigkeit und die Definition klarer Prozesse, um Ungerechtigkeiten zu beheben.

– Die Etablierung von Beförderungs- und Performance-Management-Prozessen, die geschlechtsspezifische Stärken und Entwicklungspotenziale berücksichtigen.

– Das Angebot geschlechtsspezifischer Gesundheits- und Nebenleistungsprogramme, die besondere Lebenssituationen und Umstände, z. B. eine höhere Lebenserwartung, berücksichtigen.

– Die Neuausrichtung der geforderten Kompetenzen und Eigenschaften für kritische Rollen im Unternehmen, um von den spezifischen Stärken von Frauen profitieren zu können (vgl. unten).

– Ein aktives Management von Teilzeit- und Freistellungsregelungen, das verschiedene Lebensmodelle zulässt und Mitarbeiter während der Elternzeit und danach unterstützt.

„Die zahlreichen Initiativen und Debatten in Österreich zeigen, dass das Thema Diversity von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ernstgenommen wird. Doch es gibt nach wie vor große Herausforderungen“, kommentiert Lüder. „So hat beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie entscheidenden Einfluss auf die individuelle Karriereplanung und -entwicklung. Unternehmen und Politik müssen Modelle diskutieren und entwickeln, die Karriere und Familie zulassen, z. B. durch Führung in Teilzeit.“

Weitere Highlights der Mercer-Studie im Überblick:

– Nur 57 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass ihr Top-Management sich in Diversity- und Inklusionsmaßnahmen engagiert.

– Die Beteiligung von Männern an derartigen Initiativen ist seit der ersten Studie 2014 sogar von 49 auf 38 Prozent gesunken.

– Nur 29 Prozent der Unternehmen führen Performance Ratings durch, die geschlechtsspezifische Stärken und Entwicklungspotenziale berücksichtigen.

– In Europa haben nur 28 Prozent der Unternehmen formelle Prozesse zur Behebung von Lohnungerechtigkeit etabliert, verglichen mit 40 Prozent in Kanada und den USA und 25 Prozent in Asien (weltweiter Durchschnitt: 34 Prozent).

– 17 Prozent der in europäischen Unternehmen tätigen Frauen haben GuV-Verantwortung – das ist der geringste Wert weltweit. In Lateinamerika liegt der Anteil bei 47 Prozent, in Asien bei 27 Prozent, in Australien und Neuseeland bei 25 Prozent und in Kanada und den USA bei 22 Prozent (weltweiter Durchschnitt: 28 Prozent).

– 39 Prozent der Unternehmen glauben, dass Frauen besonders flexibel und anpassungsfähig sind; nur 20 Prozent schreiben Männern diese Eigenschaften zu. Auch integratives Teammanagement (43 Prozent Frauen, 20 Prozent Männer) und emotionale Intelligenz (24 Prozent Frauen und 5 Prozent Männer) werden eher als Stärken von Frauen gesehen.