Die EU-Kommission will den Rechtsrahmen für Gentechnik reformieren, um neue Verfahren zur Veränderung des Erbguts bei Pflanzen zu regeln. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Kommission kommt zum Schluss, dass neue Gentechnikverfahren „zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem“ beitragen können. Dieses Papier soll nun offenbar den Weg zu einer Lockerung der EU-Vorschriften ebnen.

Führende europäische Lebensmittelhändler fordern nun in der heute veröffentlichten „Retailers‘ Resolution: European Retailers Take a Strong Stand Against Deregulating New GMOs“, die bewährte Regulierung aller gentechnisch veränderter Organismen (GVOs) auf dem europäischen Markt beizubehalten. Das gilt sowohl für Produkte der „Alten Gentechnik“, als auch für jene, die mit Verfahren der „Neuen Gentechnik“ (z.B. CRISPR/Cas) hergestellt werden. Der österreichische Handelsverband unterstützt die Resolution und appelliert an den zuständigen Gesundheitsminister Mückstein, einer Schwächung des Vorsorgeprinzips und der Wahlfreiheit in der Europäischen Union unter keinen Umständen zuzustimmen.

„Wir bestehen darauf, die bewährte EU-Gentechnikgesetzgebung mit den Grundpfeilern des Vorsorgeprinzips, der Risikobewertung und der Transparenz auch weiterhin für neue gentechnisch veränderter Organismen anzuwenden. Auch bei der ‚Neuen Gentechnik‘ soll in Europa der Schutzmechanismus der Schadensvermeidung statt der Schadensbehebung gelten. Neue GVOs müssen genauso reguliert sein wie alte GVOs, die EU-Kommission darf dem Druck der Biotech-Riesen nicht nachgeben“, bestätigt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die Kernforderung der Resolution.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne Kennzeichnung für heimischen Handel ein „No-Go“

Der Hintergrund: Im Juli 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas und die aus ihnen gewonnenen Produkte als Gentechnik eingestuft. Damit unterliegt die Neue Gentechnik ebenso wie die Alte Gentechnik der EU-Gentechnik­gesetz­gebung. So erfreulich das Urteil aus Sicht der Gentechnik-freien Lebensmittelwirtschaft ausgefallen ist – den Interessen Gentechnik-affiner Unternehmen, Länder und Organisa­tionen läuft es zuwider. Entsprechend groß ist seither von dieser Seite der Druck auf EU-Ebene und in etlichen Mitgliedstaaten, die europäische Gentechnikgesetzgebung aufzuweichen, die Definition dessen, was Gentechnik ist, zu ändern bzw. bestimmte Verfahren von einer Regulierung auszunehmen.

„Sollte der Vorstoß der EU-Kommission tatsächlich durchgehen und in neue Gentechnikgesetze einfließen, dann würden künftig mit gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas manipulierte Lebensmittel ohne Kennzeichnung auf unseren Äckern und Tellern landen. Das ist für den österreichischen Lebensmittelhandel ein absolutes No-Go. Auch die Konsumenten haben sich Transparenz verdient“, so Rainer Will, Sprecher des Handels.

Nicht nur der heimische Handel setzt auf Transparenz und Gentechnik-freie Produkte, auch die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft punktet beim Konsumenten mit Premium-Qualität und einem breiten Sortiment an Bio-Produkten. Daher ist in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat der Anteil Gentechnik-freier Lebensmittel so hoch wie in Österreich. Eine Deregulierung auf EU-Ebene würde hingegen jede Rückverfolgbarkeit und Transparenz unmöglich machen. Produkte aus den Verfahren der Neuen Gentechnik würden ohne Risikobewertung, ungeprüft und ohne Kennzeichnung auf den Markt kommen – mit irreversiblen Folgen für die heimische Bio-Landwirtschaft. Überdies belegen unzählige Studien, dass eine klare Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten Gentechnik-freie Produkte bevorzugt.

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