Die Europäische Kommission drängt auf die schnellstmögliche Lieferung bestellter und vorfinanzierter Impfdosen gegen COVID-19. „Die EU und andere haben den Aufbau von Forschungskapazitäten und Produktionsanlagen früh finanziell unterstützt. Europa hat Milliarden investiert, um die weltweit ersten COVID-19-Impfstoffe zu entwickeln – zum Nutzen der Allgemeinheit auf der ganzen Welt. Jetzt müssen die Unternehmen liefern“, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute (Dienstag) beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Bereits gestern Abend hatte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides angekündigt, dass die EU einen Exporttransparenzmechanismus einrichten wird, um vollständige Transparenz hinsichtlich der Exporte von Impfstoffen aus der EU zu schaffen.

Von der Leyen plädiert für internationale Zusammenarbeit und kündigt Programm zur Abwehr biologischer Gefahren an

Kommissionspräsidentin von der Leyen bekräftige in ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum erneut, dass es europäische und globale Zusammenarbeit brauche, um die Pandemie zu überwinden. „Aus diesem Grund hat die Europäische Union bereits zu Beginn der Pandemie gemeinsam mit Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum, der Gates-Stiftung und Global Citizen Spendeninitiativen zur Mobilisierung von Finanzmitteln für die weltweite Corona-Krisenreaktion organisiert. In der Impfstoffallianz COVAX wird die Europäische Union gemeinsam mit 186 Ländern Millionen von Impfstoffdosen für Länder mit geringem Einkommen sichern. Wir können unsere globalen Herausforderungen nur bewältigen, wenn wir grenzüberschreitend und branchenübergreifend zusammenarbeiten. Kein Privatunternehmen und keine Behörde schafft das alleine.

Deshalb meine ich, dass wir uns mit dieser neuen Form gemischter Partnerschaften vorbereiten sollten, damit wir vor dem nächsten großen Risiko geschützt sind. Dies ist ein Konzept für die Zusammenarbeit in der Welt von heute. Wir müssen die Innovationskraft und die Kapazitäten des Privatsektors mit der langfristigen Vision und der Vorhersehbarkeit und der Finanzierung des öffentlichen Sektors zusammenführen. In diesem Sinne wird Europa ein Programm vorschlagen, mit dem wir uns gegen biologische Gefahren wappnen können. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, die in unserer neuen EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen, kurz HERA, angesiedelt sein wird.“

Das neue Programm soll auf drei Hauptsäulen ruhen:

  • Es soll ein dauerhaftes Programm sein, das sich voll und ganz auf die Entdeckung neuer Krankheitserreger und die Vorbereitung auf die Bekämpfung bekannter und neuer Erreger konzentrieren soll. Anschließend werden Impfstoffe in großem Maßstab entwickelt und hergestellt, um gegen sie vorgehen zu können.
  • Eine langfristige und vorhersehbare Finanzierung soll sichergestellt werden, anstatt die Mittel jedes Mal neu zuzuweisen.
  • Es soll Spitzentechnologieunternehmen, Hersteller und Regulierungsbehörden zusammenbringen.

Kommission will Mechanismus zur Exporttransparenz einrichten

Das Unternehmen AstraZeneca hat letzte Woche seine vertraglich vereinbarten Lieferungen in die EU überraschend gekürzt. „Der neue Lieferplan ist für die Europäische Union nicht akzeptabel“, hatte Kyriakides daraufhin gestern erklärt. „Die Europäische Union hat die Entwicklung des Impfstoffs und dessen Herstellung vorfinanziert und erwartet nun dafür die entsprechende Gegenleistung. Sie möchte ganz genau wissen, wie viele Dosen AstraZeneca wo hergestellt hat und ob bzw. an wen diese geliefert wurden.“ Die Fragen seien seitens des Unternehmens bisher nicht zufriedenstellend beantwortet worden.

Sie betonte: „Die Europäische Union besteht darauf, dass die bestellten und vorfinanzierten Dosen so schnell wie möglich geliefert werden und AstraZeneca seine vertraglichen Verpflichtungen voll und ganz erfüllt.“

Die Kommission habe den 27 Mitgliedstaaten im Lenkungsausschuss vorgeschlagen, schnellstmöglich einen Exporttransparenz-Mechanismus einzurichten. „Wir fordern klare Auskünfte über die Transaktionen und vollständige Transparenz hinsichtlich der Exporte von Impfstoffen aus der EU“, sagte Kyriakides. „Künftig müssen alle Unternehmen, die in der EU COVID-19-Impfstoffe herstellen, geplante Impfstoff-Exporte an Drittländer frühzeitig melden.“ Dies gelte selbstverständlich nicht für humanitäre Lieferungen, so Kyriakides weiter.

Hintergrund

Am 17. Juni 2020 hatte die EU-Kommission die von allen 27 EU-Staaten getragene europäische Impfstoffstrategie verabschiedet. Ihr Ziel war es, allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern innerhalb von 12 bis 18 Monaten hochwertige, sichere, wirksame und erschwingliche Impfstoffe gegen das Coronavirus zu sichern.

Die Kommission verhandelt dafür im Namen der EU-Staaten Abnahmegarantien für vielversprechende Impfstoffkandidaten und hat bisher Vereinbarungen mit sechs Impfstoffentwicklern geschlossen. Damit sind für die Menschen in Europa bis zu 2,3 Milliarden Impfstoff-Dosen gesichert, darunter bis zu 600 Millionen Dosen des BioNTech/Pfizer-Impfstoffes.

Am 27. Dezember 2020 – sechs Monate nach Verabschiedung der gemeinsamen Strategie – begannen die Impfungen gegen das Coronavirus in allen EU-Staaten. Neben den beiden bereits zugelassenen Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna hat im Januar 2021 auch AstraZeneca einen Zulassungsantrag gestellt, über den bis Ende des Monats entschieden werden könnte.