Bereits zum dritten Mal hat die Europäische Kommission das Vertrauen der Europäer:innen in Impfungen abfragen lassen. Und zum dritten Mal gibt das Abschneiden der Österreicher:innen wenig Anlass zur Freude. Dies ist einer von mehreren Faktoren, die in einem erweiterten Erwachsenenimpfprogramm adressiert werden müssen, wie der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) festhält. In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Dachverband Vaccines Europe werden vier Maßnahmen vorgeschlagen, die den Impfschutz von Erwachsenen in Zukunft deutlich verbessern sollen.

Impfvertrauen: Österreich auf den hinteren Rängen

Nach 2018 und 2020 wurde im Frühjahr eine weitere Umfrage der Europäischen Union zum Vertrauen in Impfungen durchgeführt, sowohl bei der Allgemeinbevölkerung wie auch unter Personen, die im Gesundheitssystem sogenannten „Health Care Professionals“ beschäftigt sind. Vergleicht man die Ergebnisse der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, so landet Österreich bei der Befragung in der österreichischen Allgemeinbevölkerung auf dem 19. Rang (von 27) und die Beschäftigten im Gesundheitsbereich sogar auf dem vorletzten Platz (26 von 27). „Das ist ein Ergebnis, das uns auf jeden Fall zum Denken geben muss“, stellt Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH fest. „Ganz besonders jenes beim Gesundheitspersonal.“ Laut Umfrage sind nämlich nur 74 Prozent des Gesundheitspersonals überzeugt, dass Impfungen wichtig, sicher, effektiv und im Einklang mit den eigenen Überzeugungen sind. Bei der Allgemeinbevölkerung stimmen dieser Aussage sogar weniger als die Hälfte zu, während dies bei Spitzenreiter Portugal mehr als 75 Prozent tun.

Unterschiedliche Ergebnisse je nach Impfstoff

Die Umfrage zeigt aber auch interessante Impfstoffgruppen-bezogene Details. Untersucht wurde die Einstellung zur MMR-, Influenza-, HPV- und COVID-19-Impfung. So ist das Vertrauen in den Kombinationsimpfstoff Masern, Mumps und Röteln (MMR) bei der Allgemeinbevölkerung in Österreich sogar höher als im EU-Schnitt. Das Gegenteil ist beim Vertrauen in Impfstoffe gegen Influenza der Fall. Hier erreichen die Österreicher:innen vor allem bei den Aspekten Wichtigkeit (60 % versus 78 %) und Effektivität (65 % versus 78 %) eklatant niedrigere Werte als der Durchschnittswert über die gesamte EU. Nicht viel besser sind die Werte bei den Impfstoffen gegen das Humane Papillomavirus (HPV). Und auch bei den Impfstoffen gegen COVID-19 ist das Vertrauen der Österreicher:innen weniger ausgeprägt als in anderen EU-Ländern. „Hier müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden“, betont Mag.a Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des ÖVIH. „Ein derartiger Mangel an Vertrauen schlägt sich ja auch auf die Durchimpfungsraten und damit auf die Gesundheit der Bevölkerung und auf das Gesundheitssystem nieder.

Teil des Gesundheitspersonal lehnt Impfempfehlungen ab

Das Gesundheitspersonal wurde in dieser Umfrage auch nach der Wahrscheinlichkeit für eine Empfehlung bestimmter Impfungen gefragt. In Österreich sieht man hier unter anderem eine deutliche Zurückhaltung bei den Empfehlungen für Influenza- und COVID-19-Impfungen. Nur 66 % empfehlen eine Influenza-Impfung für Schwangere, 73 % eine COVID-19-Impfung für Schwangere. Generell zeigt sich auch hier ein ähnlicher Trend, wenn auch auf höherem Niveau als bei der Allgemeinbevölkerung: Speziell die Influenza- und die COVID-19-Impfungen werden vom österreichischen Gesundheitspersonal im Vergleich zum EU-Schnitt für weniger wichtig gehalten. „Im Österreichischen Impfplan werden beide Impfungen ausdrücklich empfohlen, ganz besonders auch für Schwangere. Es ist daher besorgniserregend, dass ein Teil des österreichischen Gesundheitspersonals entgegen dieser Empfehlungen agiert“, betont Dr. Christoph Jandl, Generalsekretär des ÖVIH.

ÖVIH empfiehlt Maßnahmen zur Optimierung der Erwachsenenimpfungen

„Auf das österreichische Impfwesen kommen ohnehin schon einige Herausforderungen zu“, berichtet ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel mit Verweis auf das neue Strategiepapier. „Dazu gehören unter anderem die alternde Bevölkerung, die Kosten von impfpräventablen Erkrankungen für das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft, aber auch die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen. Das vergleichsweise geringe Vertrauen in Impfungen ist leider noch ein zusätzliches Problem.“ Außerdem seien die öffentlichen Ausgaben für Impfungen in den meisten europäischen Ländern sehr gering und würden, abgesehen von der Impfung gegen COVID-19, meist weniger als 0,5 % des Gesundheitsvorsorgebudgets ausmachen.[2] „Von diesen ohnehin schon geringen Beträgen ist der größte Teil bisher in pädiatrische Programme geflossen“, fügt ÖVIH-Vizepräsidentin Haslinger hinzu.

Angesichts der aktuellen und kommenden Herausforderungen müssen wir auch in Österreich den Fokus vermehrt auch auf die Erwachsenen-Impfungen richten“, stellt ÖVIH Generalsekretär Jandl fest. Der ÖVIH schließt sich dem Positionspapier von Vaccines Europe mit folgenden vier Maßnahmen an, um zukünftig einen besseren Schutz vor impfpräventablen Erkrankungen sicherstellen zu können:

  • Entwicklung von Strategien, um die Erwachsenenimpfungen in die nationalen Impfprogramme zu integrieren und um ihre Finanzierung zu gewährleisten. Sicherstellung des Zugangs zu Impfstoffen und die raschere Aufnahme von neuen Impfstoffen in die nationalen Impfprogramme.
  • Breite und umfassende Informations- und Aufklärungskampagnen über den Wert von Impfungen, ihren Nutzen sowie die Gesamtbelastung durch mit Impfung vermeidbaren Krankheiten in der Population. Diese Kampagnen müssen durch die öffentliche Hand getragen werden und sowohl auf die Bevölkerung als auch die Ärzt:innen abzielen.
  • Verbesserter und einfacherer Zugang zu Impfungen für Erwachsene (z.B. Impfungen in Betrieben, Impfungen bei Fachärzt:innen).
  • Ausbau des elektronischen Impfpasses als digitales Impfregister zur Verbesserung der Durchimpfungsraten (für die gesamte Lebensdauer und alle Impfindikationen) und zur Verwendung als Erinnerungs- und Empfehlungstool.

Gallo-Daniel wünscht sich eine breite Zusammenarbeit auf allen Ebenen und ergänzt: „Der ÖVIH steht wie immer allen Entscheidungsträger:innen im gesundheitspolitischen Bereich wie auch den Vertreter*innen im Gesundheitsbereich gerne als Ansprech- und Kooperationspartner zu Verfügung, um die Bevölkerung bestmöglich vor impfpräventablen Erkrankungen zu schützen.

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