Corona-Krisenreaktion: EU-Kommission genehmigt deutsche Beihilfen für TUI

Die Europäische Kommission hat am Montag den 04.01.2021 den geplanten Beitrag Deutschlands in Höhe von 1,25 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung der TUI AG („TUI“), der Muttergesellschaft der TUI Group, genehmigt.
Die Genehmigung erfolgte auf der Grundlage des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen. „Ich begrüße, dass sich auch private Investoren an der geplanten Rekapitalisierung beteiligen. Dies macht weniger staatliche Beihilfen erforderlich und trägt zur Erholung von TUI bei“, so die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager.

Vestager erklärte weiter: „TUI wurde wie viele andere Tourismusunternehmen von der Coronakrise schwer getroffen. Im Rahmen der angemeldeten Maßnahme wird Deutschland einen Beitrag von bis zu 1,25 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung von TUI leisten, um das Unternehmen bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Gleichzeitig wird der Staat für das von den Steuerzahlern getragene Risiko eine hinreichende Vergütung erhalten und die Unterstützung mit Auflagen verbinden, um mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen.“

Die deutsche Rekapitalisierungsmaßnahme

TUI ist ein großer deutscher Touristikkonzern, der in mehreren Mitgliedstaaten tätig ist. Der Konzern betreibt über verschiedene Tochtergesellschaften Hotels, Kreuzfahrtschiffe, Fluggesellschaften, Flugzeuge, Reisebüros, Reiseveranstalter und Online-Portale. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der Reisebeschränkungen, die Deutschland und andere Länder zur ihrer Eindämmung verhängen mussten, verzeichnete TUI erhebliche Verluste. Obwohl Deutschland dem Unternehmen bereits im März und August 2020 Liquiditätshilfen gewährt hatte (über die Beihilferegelungen SA.59433, SA.56814 und SA.56863, geändert durch SA.58021)‚ verschlechtert sich die finanzielle Lage der Gruppe infolge der erheblich geringeren Nachfrage nach Reisen und der Eindämmungsmaßnahmen weiterhin. Daher besteht für TUI ein Ausfall- und Insolvenzrisiko.

Auf der Grundlage des Befristeten Rahmens hat Deutschland eine staatliche Rekapitalisierung von TUI mit bis zu 1,25 Mrd. Euro bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet. Die Rekapitalisierung umfasst:

eine stille Beteiligung in Höhe von 420 Mio. Euro, die in Eigenkapital von TUI wandelbar ist,
eine nicht wandelbare stille Beteiligung von bis zu 680 Mio. Euro (400 Mio. Euro dieses Betrags werden nur bereitgestellt, wenn die geplanten Garantien im Umfang von 400 Mio. Euro nicht von den Ländern oder vom Bund gestellt werden) und
eine wandelbare Optionsanleihe mit einem Volumen von 150 Mio. Euro.

Die Kommission kam angesichts der nachstehenden Erwägungen zu dem Schluss, dass die von Deutschland angemeldete Rekapitalisierungsmaßnahme mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV im Einklang steht und die im Befristeten Rahmen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

Voraussetzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und des Umfangs der Maßnahme: Die Maßnahme geht nicht über das zur Gewährleistung der Rentabilität von TUI erforderliche Maß hinaus und wird lediglich die vor der COVID-19-Pandemie bestehende Kapitalstruktur wiederherstellen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Rekapitalisierungsmaßnahme berücksichtigte die Kommission auch die anderen staatlichen Beihilfen, die dem Unternehmen in der Coronakrise gewährt wurden.
Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligung des Staates an dem Unternehmen, seiner Vergütung sowie der Ausstiegsanreize: Die Rekapitalisierungsbeihilfe dient der Abwendung einer Insolvenz von TUI, die gravierende Folgen für die Beschäftigung in Deutschland und die deutsche Wirtschaft hätte. Der Staat erhält eine angemessene Vergütung für die Investition, und über zusätzliche Mechanismen werden für TUI Anreize geschaffen, die stille Beteiligung des Staates und die im Zuge der Rekapitalisierung erhaltene Optionsanleihe abzulösen. Die Bundesregierung legte einen bis zum Geschäftsjahr 2025 reichenden Geschäftsplan von TUI vor, um die Auswirkungen der Rekapitalisierungsinstrumente nachzuweisen. Zudem verpflichtete sie sich, innerhalb von 12 Monaten nach Gewährung der Beihilfe eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie auszuarbeiten, es sei denn, der Umfang der staatlichen Maßnahme wird bis dahin auf unter 25 Prozent des Eigenkapitals zurückgeführt. Sollte die staatliche Beteiligung sechs Jahre nach Erhalt der Rekapitalisierungsbeihilfe nicht auf unter 15 Prozent des Eigenkapitals von TUI gesenkt worden sein, wird für das Unternehmen ein Umstrukturierungsplan bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet.
Voraussetzungen hinsichtlich der Governance: Bis zum vollständigen Ausstieg des Staates dürfen TUI und die Konzerntöchter weder Dividenden ausschütten noch andere Anteile als jene Deutschlands zurückkaufen. Außerdem gilt bis zur Ablösung von mindestens 75 Prozent der Rekapitalisierung eine strenge Beschränkung der Vergütung der TUI-Geschäftsleitung, einschließlich eines Verbots von Bonuszahlungen. Mit diesen Voraussetzungen sollen Anreize für den Ausstieg des Staates geschaffen werden, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulässt.
Verbot der Quersubventionierung und Übernahmeverbot: Um sicherzustellen, dass TUI durch die staatliche Rekapitalisierungsbeihilfe kein ungerechtfertigter Vorteil entsteht, der den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen würde, darf das Unternehmen die Beihilfe nicht zur Unterstützung der Wirtschaftstätigkeit integrierter Unternehmen verwenden, die sich bereits vor dem 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Außerdem darf TUI grundsätzlich keine Beteiligungen von mehr als 10 Prozent an Wettbewerbern oder anderen im selben Geschäftsfeld tätigen Unternehmen erwerben, bis das Rekapitalisierungsinstrument zu mindestens 75 Prozent abgelöst wurde.
Öffentliche Transparenz und Berichterstattung: TUI muss Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen veröffentlichen, so auch darüber, wie die Unternehmenstätigkeiten im Einklang mit den Zielen der EU und den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des ökologischen und des digitalen Wandels unterstützt werden.

Die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die Rekapitalisierungsmaßnahme erforderlich, geeignet und angemessen ist, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats zu beheben. So zielt die Maßnahme darauf ab, die vor der pandemiebedingten Ausnahmesituation bestehende finanzielle Lage und Liquidität von TUI wiederherzustellen, wobei die erforderlichen Vorkehrungen zur Begrenzung von Wettbewerbsverfälschungen aufrechterhalten werden sollen. Zudem verfügt TUI auf den relevanten Märkten, auf denen es tätig ist, nicht über eine erhebliche Marktmacht.

Daher hat die Kommission die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt. Die Rekapitalisierungsmaßnahme ist Teil eines größeren Rekapitalisierungspakets, das folgende Maßnahmen umfasst: i) eine Kapitalaufstockung durch private Investoren um bis zu 500 Mio. Euro, ii) möglicherweise Garantien von bis zu 400 Mio. Euro von Bund und Ländern (was noch festgelegt werden muss, siehe oben), iii) eine Verlängerung einer Liquiditätsfazilität von 500 Mio. Euro aus dem KfW-Corona-Hilfe-Programm von März 2021 bis Juli 2022 und iv) eine besicherte revolvierende Kreditfazilität im Umfang von 200 Mio. Euro, die von der KfW und anderen Geschäftsbanken bereitgestellt werden soll.

Hintergrund

Die Kommission hat einen Befristeten Rahmen angenommen, damit die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Umfang nutzen können, um die Wirtschaft in der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Nach dem Befristeten Rahmen, der am 3. April, 8. Mai, 29. Juni und 13. Oktober 2020 geändert wurde, sind folgende Arten von Beihilfen möglich:

direkte Zuschüsse, Kapitalzuführungen, selektive Steuervorteile und Vorauszahlungen von bis zu 100.000 Euro je Unternehmen in der landwirtschaftlichen Primärproduktion, 120.000 Euro je Unternehmen im Fischerei- und Aquakultursektor bzw. 800.000 Euro je Unternehmen in allen übrigen Sektoren zur Deckung des dringenden Liquiditätsbedarfs. Bis zu einem Nennwert von 800.000 Euro je Unternehmen können die Mitgliedstaaten Darlehen auch zinsfrei vergeben oder zu 100 Prozent durch eine Garantie absichern; ausgenommen hiervon sind die Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Fischerei- und Aquakultursektor, wo eine Obergrenze von 100.000 Euro bzw. 120.000 Euro je Unternehmen gilt;
staatliche Garantien für Bankdarlehen an Unternehmen , um zu gewährleisten, dass die Banken Firmenkunden mit Liquiditätsbedarf weiterhin Kredite gewähren. Solche staatlichen Garantien können bis zu 90 Prozent der Risiken von Darlehen abdecken, um die Unternehmen bei der Deckung ihres unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs zu unterstützen;
zinsvergünstigte öffentliche Darlehen an Unternehmen (vor- und nachrangiges Fremdkapital) , um diese bei der Deckung ihres unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs zu unterstützen;
Zusicherungen für Banken, die staatliche Beihilfen an die Realwirtschaft weiterleiten , dass solche Fördermaßnahmen als direkte Beihilfen zugunsten der Bankkunden und nicht zugunsten der Banken selbst betrachtet werden, wobei erläutert wird, wie etwaige Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Banken auf ein Minimum beschränkt werden können;
öffentliche kurzfristige Exportkreditversicherungen für alle Länder, ohne dass die Mitgliedstaaten nachweisen müssten, dass die mit dem jeweiligen Land verbundenen Risiken vorübergehend „nicht marktfähig“ sind;
Unterstützung von Coronavirus-bezogener Forschung und Entwicklung (FuE) in Form von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Steuervorteilen zur Bewältigung der derzeitigen gesundheitlichen Notlage. Bei grenzübergreifenden Kooperationsprojekten mehrerer Mitgliedstaaten kann die Beihilfeintensität erhöht werden;
Unterstützung beim Bau und bei der Hochskalierung von Erprobungseinrichtungen zur Entwicklung und Erprobung von Produkten (wie Impfstoffen, Beatmungsgeräten oder Schutzkleidung), die für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie benötigt werden, bis hin zur ersten gewerblichen Nutzung. Die Unterstützung kann in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Verlustausgleichsgarantien gewährt werden. Die Unternehmen können eine höhere Beihilfe erhalten, wenn ihr Investitionsvorhaben von mehr als einem Mitgliedstaat unterstützt und innerhalb von zwei Monaten nach Gewährung der Beihilfe abgeschlossen wird;
Unterstützung der Herstellung von Produkten, die für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie benötigt werden , in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Verlustausgleichsgarantien. Die Unternehmen können eine höhere Beihilfe erhalten, wenn ihr Investitionsvorhaben von mehr als einem Mitgliedstaat unterstützt und innerhalb von zwei Monaten nach Gewährung der Beihilfe abgeschlossen wird;
gezielte Unterstützung in Form von Steuerstundung und/oder Aussetzung von Sozialversicherungsbeiträgen für die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige, Regionen und Unternehmensarten;
gezielte Unterstützung in Form von Lohnzuschüssen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugunsten von Unternehmen in den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Wirtschaftszweigen oder Regionen, die andernfalls Arbeitskräfte entlassen müssten;
gezielte Rekapitalisierungsbeihilfen für Nichtfinanzunternehmen, sofern keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht; Es wurden Vorkehrungen getroffen, um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. So gelten Voraussetzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und des Umfangs der Maßnahmen, Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligung des Mitgliedstaats am Kapital von Unternehmen und der Vergütung, Voraussetzungen hinsichtlich des Ausstiegs des Mitgliedstaats aus der Beteiligung an den betroffenen Unternehmen, Voraussetzungen hinsichtlich der Governance (so ein Dividendenverbot und Obergrenzen für die Vergütung der Geschäftsleitung), ein Verbot der Quersubventionierung und ein Übernahmeverbot, weitere Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen sowie Transparenz- und Berichtspflichten; Rekapitalisierungen, bei denen der Schwellenwert von 250 Mio. Euro überschritten wird, müssen gesondert bei der Kommission angemeldet werden. Wenn sie Unternehmen gewährt werden, die mindestens auf einem der relevanten Märkte, auf denen sie tätig sind, über beträchtliche Marktmacht verfügen, müssen die Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen in Form von strukturellen oder verhaltensbezogenen Verpflichtungen vorschlagen, um auf diesen Märkten einen wirksamen Wettbewerb zu wahren;
Unterstützung für ungedeckte Fixkosten von Unternehmen, die im beihilfefähigen Zeitraum im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019 erlitten haben. Die Unterstützung erfolgt in der Form eines Beitrags zu einem Teil der Fixkosten des begünstigten Unternehmens, die nicht durch Erlöse gedeckt sind, und kann je Unternehmen bis zu 3 Mio. Euro betragen.

Nach dem Befristeten Rahmen können die Mitgliedstaaten grundsätzlich alle Unterstützungsmaßnahmen miteinander kombinieren; zinsvergünstigte Darlehen und Garantien für dasselbe Darlehen dürfen nur kombiniert werden, wenn dadurch die im Befristeten Rahmen genannten Obergrenzen nicht überschritten werden. Der Befristete Rahmen gestattet es den Mitgliedstaaten zudem, alle auf dessen Grundlage gewährten Unterstützungsmaßnahmen mit den bestehenden Möglichkeiten für De-minimis-Beihilfen zu kombinieren. Diese belaufen sich – über drei Steuerjahre – auf bis zu 25.000 Euro je Unternehmen in der landwirtschaftlichen Primärproduktion, 30.000 Euro je Unternehmen im Fischerei- und Aquakultursektor und 200.000 Euro je Unternehmen in allen anderen Sektoren. Gleichzeitig müssen sich die Mitgliedstaaten aber auch verpflichten, unzulässige Kumulierungen von Unterstützungsmaßnahmen für dieselben Unternehmen zu vermeiden, damit die Unterstützung auf den tatsächlichen Bedarf beschränkt bleibt.

Der Befristete Rahmen ergänzt die vielfältigen Möglichkeiten, die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung stehen, um die sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften abzufedern. Die Kommission hat am 13. März 2020 eine Mitteilung über eine koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie angenommen‚ in der diese Möglichkeiten erläutert werden. So können die Mitgliedstaaten etwa allgemein geltende Änderungen zugunsten der Unternehmen vornehmen (z. B. Steuerstundung oder Subventionierung von Kurzarbeit in allen Wirtschaftszweigen), die nicht unter die Beihilfevorschriften fallen. Außerdem können sie Unternehmen für Verluste entschädigen, die diesen infolge der COVID-19-Pandemie entstanden und unmittelbar auf den Ausbruch zurückzuführen sind.

Der Befristete Rahmen gilt bis Ende Juni 2021. Solvenzprobleme können im Rahmen der Krise jedoch zeitverzögert auftreten, weshalb die Kommission den Geltungszeitraum ausschließlich für Rekapitalisierungsmaßnahmen bis Ende September 2021 verlängert hat. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird die Kommission vor Ablauf dieser Fristen prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD WettbewerbDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• der Kommission unter der Nummer SA.59812 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter Competition Weekly e-news.